
"Hast Du Lust auf ein Abenteuer?", fragte ich eines Morgens einen unserer Bewohner, der sich damals in einer schwierigen Lebenssituation befand. Ich arbeitete zu der Zeit noch als Nachtwache in einer intensivpädagogischen Wohngruppe beim Träger JaZZ 2010 GbR.
Auf einer meiner Wanderungen auf dem Jakobsweg hatte ich die positive Entwicklung einer Gruppe der französischen Jugendhilfe erlebt, der ich in einigen Abständen immer wieder begegnete. Das Pilgern hat einen sichtbar guten Einfluss auf die aus Pariser Problemvierteln stammenden Kinder und Jugendlichen ausgeübt. Nach ein paar Gesprächen mit den dazugehörigen Betreuern, nahm ich mir vor, diese Idee eines Tages in Deutschland aufzugreifen.
Daran erinnerte ich mich, als ich eines Tages meinem Träger den Vorschlag machte, diese Idee zu adaptieren und mit einem unserer Jugendlichen den nördlichen Jakobsweg zu gehen, begleitet von meinen beiden Hunden. Der Jakobsweg ist gut erschlossen und bietet eine solide Infrastruktur, ermöglicht aber trotzdem einmalige Erlebnisse in der Natur.
Mein Träger stimmte zu, allerdings bräuchte es nach der Maßnahme eine andere Unterbringung. So entstand die Idee der Erziehungsstelle hier auf dem Hof.
Keine vier Wochen später waren wir auf dem Weg nach Hendaye, um von dort die Biscaya entlang nach Santiago de Compostella zu wandern.

Der Camino Norte unterscheidet sich vom Camino Frances, welcher durch das Landesinnere führt und welchen die meisten Menschen als Jakobsweg kennen, durch seine wesentlich höhere Anzahl an Höhenmetern und seine schwierigeren Wegstrecken. Er entschädigt einen dafür aber mit unglaublichen Panoramen und Naturerlebnissen.. Da die meisten Filme und Bücher über den Jakobsweg auf dem Camino Frances spielen, wählt der größte Teil der Pilger diese Route. Der Nordweg hingegen ist dadurch wesentlich weniger frequentiert und ermöglicht so ein ungestörtes Pilgererlebnis. Genau das suchten wir. Die Möglichkeit einer unbeeinflussten neuen Grenzerfahrung.

Das Mitführen der Hunde bedeutet, dass man auf Übernachtungen in Herbergen verzichten muss. Es gehen nur einzelne Pensionen, Campingplätze oder Gärten von Herbergen und Kirchen. Das macht das ganze unplanbarer, dadurch gibt es natürlich auch keinen regelmäßigen Zugang zum Internet, Strom oder einer warmen Dusche. Man muss lernen mit seinen Ressourcen zu haushalten und seine Tage genau zu planen.



Wir liefen bereits nach einigen Tagen in eine heftige Regenfront, welche sich über einen großen Teil des Weges hielt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das durchgehalten hätte, wenn ich alleine unterwegs gewesen wäre. In diesem Falle aber war aufgeben keine Option und es zahlte sich aus. Wir wurden nicht nur ein gutes Wanderteam, sondern wir wurden am Ende auch mit einem traumhaften Wetter und einem erfolgreichen Abschluß der Reise belohnt.


Es ist mir manchmal sogar gelungen, meinen Mitreisenden in staunen zu versetzen. So kamen wir eines Tages bei herrlichem Sonnenschein an eine Flussmündung, die relativ breit war. Wir mussten auf die andere Seite. Der ausgewiesene Weg führte mehrere Kilometer ins Landesinnere dort konnte man per Brücke den Fluss überqueren und musste dann die gleiche Anzahl Kilometer wieder zurücklegen, um letztendlich an der von uns nur ein paar hundert Meter entfernten Stelle auf der anderen Seite der Mündung, seinen Weg fortsetzen zu können. Ich bin im Herzen ein recht fauler Mensch und das hat zur Folge, dass ich gerne nach bequemeren Lösungen suche. Ich hatte bemerkt, dass wir ablaufend Wasser hatten. Also guckte ich im Internet nach dem Tiedenkalender für die Gegend in der wir waren. Bingo! Wir hatten noch eineinhalb Stunden ablaufendes Wasser. Das würde nach meiner Schätzung reichen, den Pegel des Flusses so weit abzusenken, dass man ihn einfach durchschreiten kann. Mein Begleiter wunderte sich etwas, als ich ihm sagte, wir würden jetzt erst einmal eine längere Siesta in der Sonne machen, von meiner Idee habe ich natürlich vorerst nichts erzählt. Ich wollte erst sicher gehen, dass mein Plan aufgeht. Um so spassiger war das verblüffte Gesicht meines Gefährten, als ich irgendwann meinen Rucksack schnappte und einfach in den Fluss lief.

Die Nordküste Spaniens bietet unglaublich schöne Ausblicke.
An einem Tag war einer unserer Hunde in einem Gebüsch am Wegesrand verschwunden und kam merkwürdigerweise trotz rufen nicht wieder. heraus. Wir folgten ihm also in den Busch und standen mit einem Male in einer Höhle mit vielen Räumen. Dank unserer Taschenlampe konnten wir diese in aller Ruhe erkunden und wir fühlten uns zeitweilig ein wenig, wie Indiana Jones.





